Page 11 - SPP Abschlussbroschüre
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Das Projekt gliederte sich in zwei Teilfragestellungen. Erstens wurde untersucht, wie unterschiedliche mediale Informationen zu impersonal risks verarbeitet werden und welche Zusammen- hänge sich mit der individuellen Umweltwahrnehmung zeigen. Zweitens wurden individuellen Faktoren von Informationsver- arbeitung und Umweltwahrnehmung auf ihren möglichen Ein- fluss auf die subjektive Risikowahrnehmung geprüft. Dabei in- teressierte die Interaktion zwischen medialer Risikodarstellung und subjektiver Risikowahrnehmung bzw. tatsächlicher Um- weltveränderung in Bezug auf die Verstärkung der subjektiven Risikowahrnehmung. Ziel des Projektes war im Besonderem die Beantwortung der Frage, wie eine effektive Umweltkommunika- tion zwischen Wissenschaft (sozial- und naturwissenschaftlich) und der Öffentlichkeit optimal gefördert werden könnte.Die direkte Wahrnehmungeiner Umweltveränderung ist ein sehr wichtiger Faktor für die Bewertung von impersonal risks.Unsere Ergebnisse zeigten, dass die direkte Wahrnehmung einer Umweltveränderung ein sehr wichtiger Faktor für die Bewer- tung von impersonal risks ist. Eine hohe Umweltwahrnehmung führt zu einer Steigerung der Risikowahrnehmung, zentraler Informationsverarbeitung sowie zu einer Übernahme von um- weltfreundlichem Verhalten. Persönliche Betroffenheit war ein weiterer wichtiger Einflussfaktor in Bezug auf Verhaltensadap- tion. Weiter konnten wir zeigen, dass der mediale Einfluss auf Risikowahrnehmung und Verhaltensadaption in diesem expe- rimentellen Design stark begrenzt war, es aber deutliche Un- terschiede im Wirkungsgrad der unterschiedlichen Artikel gab. Der qualitätsjournalistische Artikel, mit einem mittleren Grad an Komplexität, Fragilität und Qualität, erhöhte die Risikowahrneh- mung signifikant am stärksten. Am schlechtesten schnitt der populärwissenschaftliche Artikel ab. Dieser zeichnete sich durch hohe Komplexität und Qualität sowie durch die Integration von wissenschaftlichen Fachtermini aus.Wie wirken Medienberichte und direkte Umweltwahrnehmung auf umweltfreund- liches Verhalten?Informationen zu Umweltrisiken erhält die Bevölkerung vor allem durch die Massenmedien. In diesem Kontext beschäftigt Wissenschaftler, wie Umweltri- siken durch Medienberichte vermittelt werden, wie sich die mediale Wahrneh- mung der Umweltrisiken auf das Verhalten auswirkt und welchen Einfluss über die mediale Information hinaus die unmittelbare persönliche Wahrnehmung einer Umweltveränderung hat. Die Zusammenhänge von Medienwirkung, Ver- haltensweisen und individueller Umweltwahrnehmung sind in diesem Bereich noch wenig erforscht.In der Forschung zu Risiken gewinnen die sogenannten „impersonal risks“ immer mehr Bedeutung. Das sind Bedrohungen für die Natur, die keine un- mittelbare Bedrohung für den einzelnen Menschen darstellen, aber langfristig Folgen für die Menschen haben können. Ein Beispiel ist die Überfischung der Weltmeere und ihre Folgen. Ein anderes Beispiel ist die Rosskastanien-Minier- motte, die wir in unserer Forschungsarbeit als Fallbeispiel gewählt haben.Links: unbefallene Kastanie; Rechts: Folgen der Fraßtätigkeit der MiniermotteDie durch den Menschen nach Deutschland eingeschleppte Rosskastanien- Miniermotte, schädigt Kastanienbäume durch die Fraßaktivität ihrer Larven. So werden die Kastanienblätter schon im Frühsommer braun und fallen bereits im Sommer ab. Dieses Schadbild an der beliebten weißblühenden Rosskastanie ist gut erkennbar. Eine mögliche Reaktion auf diese sichtbare Umweltveränderung ist es, Informationen darüber zu sammeln und weiterzugeben. Außerdem kann durch gründliches Laubsammeln der Befall im nächsten Jahr verhindert wer- den. Das kann prinzipiell jeder. Wie in vielen anderen Umweltschutzprojekten scheitert die Umsetzung dieser Maßnahmen oft. Die Kommunikationswissen- schaft kann helfen, die Wahrnehmung von Umweltveränderungen durch die Bevölkerung besser zu verstehen.Im Rahmen einer empirischen Studie haben wir den Einfluss unterschied- licher Zeitungsartikel zur Kastanienmotte auf das Risikoempfinden und das Verhalten untersucht. Dabei wurde auch die Bedeutung von individueller Wahrnehmung einer Umweltveränderung einbezogen.Bei den Medieninhalten zeigte sich: Ein qualitativ hochwertiger Zeitungs- artikel erhöht die Risikowahrnehmung und wirkt sich positiv auf die Bereit- schaft aus, Schutz- und Präventivmaßnahmen aktiv umzusetzen. Dieser Artikel zeichnete sich durch eine hohe Verständlichkeit und einen mittleren Grad an Komplexität aus. Die anderen Artikel schnitten dagegen schlechter ab: sowohl der weniger komplexe und einfach geschriebene Text im Stile eines Boulevard- mediums als auch der populärwissenschaftliche Artikel mit hoher Komplexität und wissenschaftlichen Fachausdrücken führte nicht zu einer höheren Bereit- schaft, selbst aktiv zu werden.Direkte Umweltwahrnehmung wirkte stärker als die medial vermittelte. Ent- sprechend höher war das Risikoempfinden und es zeigte sich ein gesteigertes Bedürfnis nach Informationen. War ein Baum im eigenen Umfeld betroffen, wurden Schutzmaßnahmen eher umgesetzt.Medienberichte und direkte Beobachtungen sind nur zwei von vielen denk- baren Einflussfaktoren, um umweltfreundliches Denken und Handeln zu erklä- ren. Die größten Hürden für aktives Umweltengagement sind individuelle Res- sourcen, soziale Normen, hoher Aufwand oder mangelndes Interesse. Dennoch eröffnet der allgemein verständliche Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Öffentlichkeit zumindest die Möglichkeit, persönliche Einstellungen, Wissen oder Interesse an naturwissenschaftlichen Themen zu bestärken und umweltfreundliches Handeln anzustoßen. Nach unseren Ergebnissen erhöht die persönliche Erfahrung einer Umweltveränderung die Bereitschaft sich zu engagieren erheblich.11