Page 13 - SPP Abschlussbroschüre
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einem Experten (vs. Laien) zu kommunizieren, waren ihre eige- nen Repräsentationen des Themas (erfasst durch einen freien Ge- dächtnisabruf ) stärker polarisiert, d.h. eher besonders positiv (in Richtung der Pro-Argumente) oder besonders negativ (in Rich- tung der Contra-Argumente). Wir stellten diese Polarisierung vor allem dann fest, wenn die Versuchspersonen erwarteten, selbst eine Mitteilung zu dem Thema an ihren Partner zu produzieren. Nach einer Woche verspürten die Versuchspersonen, die mit ei- nem Experten (vs. Laien) kommunizieren sollten, dann auch eine größere Sicherheit in ihrer Einschätzung des Themas. Zudem zeigte sich, dass Versuchspersonen weniger daran interessiert waren, eine Expertenmeinung zu dem Thema zu hören, wenn sie bereits selbst eine Mitteilung an einen Experten verfasst hat- ten. Insgesamt sprechen die Ergebnisse dafür, dass bereits die Erwartung einer Kommunikation mit einem Experten (vs. einem Laien) dazu führt, dass Laien uneindeutige wissenschaftliche Evi- denz eher vereindeutigen und ihr abgespeichertes Wissen zum Thema stärker polarisiert ist. Daraufhin sind sie auch weniger in- teressiert an Meinungen von anderen Experten.Die Ergebnisse zeigen, dass bereits die Erwartung einer Kommunikation mit einem Experten (vs. einem Laien) dazu führt, dass Laien uneindeutige wissenschaftliche Evidenz eher vereindeutigen und ihr abgespeichertes Wissen zum Thema stärker polarisiert ist.Was passiert darüber hinaus, wenn ein Experte seine Meinung zu dem Thema Laien mitteilt? Welche Faktoren tragen dazu bei, dass Laien in der Kommunikation eine Shared Reality mit einem Experten bilden? Der Shared Reality-Theorie zufolge sollte das Gefühl von Gemeinsamkeiten (Bebermeier, Echterhoff, Hellmann & Bohner, in press) sowie der persönlichen Verbundenheit mit dem Experten dabei eine zentrale Rolle spielen. Zum Zeitpunkt der Anfertigung dieses Textes wurden hierzu noch Daten erho- ben. Die ersten Befunde legen nahe, dass die Versuchspersonen ihre Meinung eher an die Meinung des Gesprächspartners an- passen, wenn dieser eine größere Verbundenheit mit uns zeigt, z. B. durch die Preisgabe persönlicher Informationen oder durch die Verwendung kollektiver Pronomen wie „wir“ (statt „Sie und ich“).Mit welchen „Nebenwirkungen“ müssen Laien rechnen, wenn sie mit einem Experten über ein komplexes wissen- schaftliches Thema kommunizieren?Forschungsergebnisse zu vielen aktuellen wissenschaftlichen Fragen sind mehrdeutig und schwer verständlich. Ob die Strahlung von Handys oder früh- kindliche Impfungen schädlich sind, ob die Verkürzung des Gymnasialunter- richts auf 8 Jahre vorteilhaft ist oder ob der Nutzen von Kernenergie größer ist als ihre Kosten – zu diesen und vielen weiteren gesellschaftsrelevanten Fragen gibt es vielfältige, unübersichtliche und teils widersprüchliche Befunde und Analysen. Teil unserer menschlichen Natur ist es nach Gewissheit zu streben und sich ein klares Urteil zu solchen Themen bilden zu können, um eigene Po- sitionen vertreten zu können, Entscheidungen zu fällen und handlungsfähig zu sein.Eine Möglichkeit, sich zu einem komplexen wissenschaftlichen Thema ein umfassendes und sicheres Urteil zu bilden, ist der Austausch mit ExpertInnen. Während sich noch vor wenigen Jahrzehnten WissenschaftlerInnen vor allem untereinander verständigt haben, ist heute die Kommunikation zwischen Wis- senschaft und Laien aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken. Im Internet gibt es zahlreiche Foren, in denen ExpertInnen Rede und Antwort stehen. Hinzu kommen Podiumsdiskussionen und öffentliche Hearings mit Pu- blikumsbeteiligung.Und diese Kommunikation ist keine Einbahnstraße: Auch Laien suchen aktiv den Kontakt zu ExpertenInnen. Damit Laien sich jedoch am Diskurs mit Exper- tInnen beteiligen können, müssen sie die ihnen verfügbaren Informationen zu einem wissenschaftlichenThema„im Kopf“ ordnen. Dieser Prozess heißt in der Forschung„CognitiveTuning“–dieAnpassungvonWissensbeständenaneine Kommunikationssituation. Die Ordnung der eigenen Gedankenwelt muss auch den gesteckten Zielen entsprechen: In unseren Experimenten zeigte sich, dass Laien eher dazu neigen, sich als gut vorinformierten Gesprächspartner mit kla- rem Standpunkt zu präsentieren, als dazu, Antworten auf spezielle Fragen zu suchen oder die eigene Neugier und Lernbereitschaft zu signalisieren.Unsere Versuchspersonen lasen einen Text, der Argumente und Befunde für und gegen die Schädlichkeit von frühkindlichen Impfungen bzw. von Handy- strahlung enthielt. Durch die etwa gleich vielen, ähnlich überzeugenden Pro- und Contra-Argumente ergab sich ein vielschichtiges, unklares Bild im Hinblick auf das wissenschaftliche Thema. Während sich die eine Hälfte der Versuchs- personen nun auf einen Gedankenaustausch mit einem Laien vorbereitete, sollte sich die andere Hälfte auf einen Gedankenaustausch mit einem Experten einstellen. Die Ideen und abgespeicherten Informationen zum Thema wurden dann überraschend durch einen freien Gedächtnisabruf abgefragt.Die Auswirkungen der unterschiedlichen Erwartungen zum Kommunika- tionspartner waren bemerkenswert: Die Versuchspersonen für den „Experten- talk“ waren schon stärker auf eine klare Einstellung zum Thema ausgerichtet: entweder eher besonders positiv oder besonders negativ. Das Cognitive Tuning war ausgeprägter, also die Informationen„im Kopf“ eindeutiger auf eine klare (ablehnende oder befürwortende) Position zugeschnitten. Dies war besonders ausgeprägt, wenn die Versuchspersonen erwarteten, selbst eine Mitteilung zu dem Thema an ihren Gesprächspartner zu produzieren.Insgesamt zeigen die Ergebnisse mögliche „kognitive Nebenwirkungen“, wenn wir uns auf einen Austausch mit ExpertInnen vorbereiten. Bereits die Er- wartung einer Kommunikation mit einem Experten kann offenbar dazu führen, dass wir aus nicht eindeutig interpretierbaren wissenschaftlichen Ergebnissen eine eindeutige These entwickeln. So können wir uns als Gesprächspartner mit klarem Standpunkt präsentieren und den Eindruck vermeiden, einem unüber- sichtlichen Durcheinander von wissenschaftlichen Details ausgeliefert zu sein.13