Page 9 - SPP Abschlussbroschüre
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sondere Beachtung schenken. Maßnahmen, (z. B. Vorabinforma- tionen zur allgemeinen Vertrauenswürdigkeit wissenschaftlicher Akteure), die eher über weitere Prozesse mediiert Einfluss auf die Konflikterkennung nehmen sollten, hatten hingegen einen ge- ringeren (Vorgabe allgemeiner, nicht themengebundener Lese- ziele) oder keinen Effekt.Wie Laien Konflikte schließlich bewältigen, stand im Fokus wei- terer Studien. Eine Studienserie rekonstruierte die subjektiven Annahmen über die Ursachen wissenschaftlicher Konflikte, die Laien zur Auflösung von Kontroversen heranziehen können. Sie berücksichtigen hierbei epistemische und soziale Bedingungen der Konstruktion wissenschaftlichen Wissens. Weitere Faktoren, die die Konfliktbewältigung beeinflussen, sind Merkmale von Quellen (z. B. wissenschaftliche Integrität und Zuständigkeit) so- wie das Verständnis von Konventionen des wissenschaftlichen Diskurses. Schließlich spielt auch die Verständlichkeit wissen- schaftlicher Inhalte eine wesentliche Rolle. Wenn Laien für sie leicht verständliche Aufbereitungen lesen, steigt ihre Bereitschaft, eine Behauptung als gültig zu akzeptieren, während das Verlan- gen nach Expertenkonsultation zur Urteilsabsicherung umge- kehrt reduziert wird. In unseren Studien haben wir also nicht nur danach gefragt, welcher „Konfliktpartei“ bei wissenschaftlichen Kontroversen Laien schließlich mehr Glauben schenken, son- dern wir haben auch erforscht, unter welchen Bedingungen sie die Begrenzungen ihres Laienwissens realistisch einschätzen.Die Ergebnisse zeigen Ressourcen von Laien für die Interpretation konfligierender wissenschaftlicher Inhalte, unterstreichen aber auch die Wichtigkeit der Bewusstheit über die Grenzen des eigenen Verstehens und der einhergehenden Abhängigkeit von Experten/innen.Zusammenfassend zeichnen unsere Befunde ein Bild der Res- sourcen von Laien, um konfligierende wissenschaftliche Inhalte, die für ihren Alltag relevant sind, auch dann adäquat zu interpre- tieren, wenn es um wissenschaftliche Themen geht, die eigent- lich ihr naturwissenschaftliches Wissen übersteigen. Zugleich unterstreichen die Ergebnisse die Wichtigkeit der Bewusstheit über die Grenzen des eigenen Verstehens und der damit einher- gehenden Abhängigkeit von Expert/innen.Sollte man sich in der Wissenschafts- kommunikation immer möglichst einfach ausdrücken?Wenn Bürger/innen sich zu einem wissenschaftlichen Thema informieren, tun sie dies häufig, um persönliche oder gesellschaftliche Problemstellungen für sich zu klären. Aufgrund der kognitiven Arbeitsteilung in unserer Gesellschaft, also der Ungleichverteilung von Wissen, fehlen ihnen allerdings häufig die Kenntnisse, um die Informationen angemessen zu bewerten. Stattdessen sind wir alle oftmals auf den unterstützenden Rat von Expert/innen angewiesen. Aber sind sich Bürger/innen, die ja meistens keine Fachleute sind, der Grenzen ihrer eigenen Urteilsfähigkeit bei der Bewertung wissenschaftlicher Aussagen auch immer bewusst?Hinweise auf eine Beantwortung dieser Frage kommen aus der Forschung zur Verarbeitungsflüssigkeit, also zur Leichtigkeit, mit der Informationen ver- arbeitet werden können. Hier wurde gezeigt, dass Leser/innen Textaussagen, die sie einfach verarbeiten können, eher für wahr halten als Aussagen, deren Lektüre ihnen schwerfällt. Beispielsweise stimmen Leser/innen Textaussagen eher zu, wenn ihre Schriftfarbe einen klaren Farbkontrast zum Hintergrund auf- weist (z. B. blau auf weißem Grund) als wenn der Farbkontrast schwach und die Schrift somit schwer lesbar ist (z. B. gelb auf weißem Grund).In unserer Forschung haben wir herausgefunden, dass es einen ähnlichen Effekt auch bei der Verarbeitung von Wissenschaftstexten durch Personen gibt, die zu dem Thema kein besonderes Fachwissen haben, die also Laien sind. In verschiedenen Studien maßen wir, wie sehr Laien Behauptungen aus einem Wissenschaftstext zustimmen, wie sicher sie sich in ihren Bewertungen sind und ob sie gerne weitere Expert/innen zur Klärung der Fragen hinzuziehen würden. Dabei enthielt der von den Versuchsteilnehmer/innen zu bewer- tende Text entweder eine Vielzahl von Fachbegriffen und war entsprechend schwierig zu verarbeiten, oder er enthielt nur Begriffe, die dem Bürger / der Bürgerin bekannt waren und war somit einfach zu verarbeiten. Es zeigte sich, dass Laien dem einfachen Text eher zustimmten, sich bei ihrer Entscheidung sicherer waren und weniger bereit waren weitere Expert/innen zu befragen. Bei vergleichsweise einfachen Darstellungen sind wir also geneigt, unsere eigene Entscheidungsfähigkeit zu überschätzen. Diesen Effekt der Texteinfachheit auf die Beurteilung wissenschaftlicher Behauptungen und auf den Umgang mit der kognitiven Arbeitsteilung nennen wir den Einfachheitseffekt der Wissen- schaftspopularisierung.Allerdings tritt dieser Einfachheitseffekt nicht immer auf. Wenn der gelesene Text mit einem anderen Text im Widerspruch steht, lassen sich Laien von der Einfachheit des Textes nicht oder zumindest weniger beeinflussen. Auch der ausdrückliche Hinweis auf die Komplexität des Themas führt zu einer Abschwä- chung des Einfachheitseffektes.Der Einfachheitseffekt kann also dazu beitragen, dass sich Laien bei der Bewertung wissenschaftlicher Aussagen zu stark auf sich selbst verlassen. Wir empfehlen daher, dass bei der Kommunikation wissenschaftlicher Infor- mationen an Bürger/innen nicht nur auf eine Erhöhung der Verständlichkeit (z. B. durch Übersetzung von Fachbegriffen) geachtet wird. Zusätzlich sollte in Wissenschaftstexten auf die Vielschichtigkeit des Themas hingewiesen werden. Auch Verweise auf themenbezogene Kontroversen in Fachkreisen können Laien die Augen dafür öffnen, dass das Thema nicht so einfach ist, wie es erscheinen mag. Auf diese Weise ist es möglich, Bürger/innen in verständlicher Weise zu informieren; zugleich aber kann der Gefahr entgegengewirkt werden, dass sie ihre eigenen Entscheidungskompetenzen falsch bewerten.9