Page 16 - SPP Abschlussbroschüre
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Motivierte Verzerrungen bei der Rezeption empirischer ForschungsbefundeKurzbeschreibungWissenschaftliche Laien werden häufig mit Wissenschaftsin- formationen konfrontiert, die für sie persönlich relevant sind. Beispielsweise berührt die Forschung zu gewalthaltigen Video- spielen die soziale Gruppe der Videospieler und – zumindest für manche Personen – den moralischen Wert der Gewaltfreiheit. In ähnlicher Weise berührt die Forschung zu vegetarischer Ernäh- rung die Gruppe der VegetarierInnen oder Forschung zu Gen- technik die moralischen Überzeugungen mancher Personen. Unser Projekt untersuchte daher die Frage, wie Laien auf wissen- schaftliche Evidenz reagieren, wenn diese ihre soziale Gruppe oder ihre moralischen Werte und Überzeugungen berührt.Unser Projekt untersuchte die Frage, wie Laien auf wissenschaftliche Evidenz reagieren, wenn dieseihre soziale Gruppeoder ihre moralischen Werte und Überzeugungen berührt.Zwei Studien unseres Projekts konnten zeigen, dass vor allem Personen, die sich der Gruppe der Videospieler besonders stark zugehörig fühlen (hochidentifizierte Videospieler), jene Studien abwerten, die Nachweise für die Schädlichkeit von gewalthalti- gen Videospielen erbringen (also für die soziale Identität bedroh- lich sind; Nauroth, Gollwitzer, Bender & Rothmund, 2014, 2015). Hochidentifizierte Videospieler fühlen sich durch die Forschung stigmatisiert und ärgern sich über die Forschung, was zu einer kritischen Bewertung führt (Nauroth et al., 2014). Hochidentifi- zierte Videospieler neigen zudem häufiger als niedrigidentifi- zierte Videospieler dazu, gegenüber bedrohlichen Forschungs- ergebnissen kritische und abwertende Onlinekommentare zu schreiben (Nauroth et al., 2015). Wenn allerdings die soziale Iden- tität der Videospieler positiv bestätigt wurde, verringerte sich die Wahrscheinlichkeit, mit der hochidentifizierte Videospieler einen negativen Kommentar verfassten. In einer weiteren Studie konn- te gezeigt werden, dass die Abwertung von bedrohlichen For- schungsbefunden ein generelles Phänomen zu sein scheint. In einem minimalen Gruppenparadigma wurden TeilnehmerInnen künstlich einer Gruppe zugewiesen. Trotz dieser erst in der La- borsituation erworbenen Gruppenmitgliedschaft werteten die TeilnehmerInnen vor allem jene Studie ab, die ihre Gruppe als weniger hilfsbereit im Vergleich zu einer anderen Gruppe dar- stellte.In Bezug auf moralische Werte konnte gezeigt werden, dass Gewalt in Videospielen vor allem von Pazifisten (Personen, denen Gewaltfreiheit besonders wichtig ist) als Bedrohung wahrge- nommen wird. Gleichzeitig suchen Pazifisten selektiv nach wis-Laufzeit2011-2016AntragstellerInnenProf. Dr. Mario Gollwitzer , mario.gollwitzer@uni-marburg.de Jun.-Prof. Dr. Tobias Rothmund, rothmund@uni-landau.deUniversitäten & InstitutePhilipps-Universität Marburg, Institut für PsychologieUniversität Koblenz-Landau, Institut für Kommunikationspsychologie und MedienpädagogikMitarbeiterInnenDr. Peter Nauroth Jens BenderIm Projekt entstandene/entstehende DissertationenBender, J. (in Vorb.). How Moral Threat Shapes Laypersons’ Public Engagement with Science and Political Behavior.Nauroth, P. (2015). Group-based Science Rejection: How Social Identities Shape the Way we Perceive, Evaluate, and Engage with Science. Philipps-Universität Marburg.Projektbezogene Publikationen (Auswahl)Gollwitzer, M., Rothmund, T., Klimmt, C., Nauroth, P. & Bender, J. (2014). Gründe und Konsequenzen einer verzerrten Darstellung und Wahrnehmung sozialwis- senschaftlicher Forschungsbefunde: Das Beispiel der„Killerspiele-Debatte“. In: R. Bromme & M. Prenzel (Hrsg.) Von der Forschung zur evidenzbasierten Entschei- dung: Die Darstellung und das öffentliche Verständnis der empirischen Bildungs- forschung. Sonderheft 27 der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. Wiesbaden: VS Springer. DOI: 10.1007/s11618-014-0511-8Nauroth, P., Bender, J., Rothmund, T., & Gollwitzer, M. (2014). Die „Killerspiele“-Dis- kussion: Wie die Forschung zur Wirkung gewalthaltiger Bildschirmspiele in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. In T. Porsch & S. Pieschl (Hrsg.), Neue Medien und deren Schatten. Göttingen: Hogrefe.Nauroth, P., Gollwitzer, M., Bender, J., & Rothmund, T. (2014). Gamers against science: The case of the violent video games debate. European Journal of Social Psychology, 44(2), 104-116. DOI: 10.1002/ejsp.1998Nauroth, P., Gollwitzer, M., Bender, J., & Rothmund, T. (2015). Social identity threat motivates science-discrediting online comments. PLoS ONE, 10(2), e0117476. DOI: 10.1371/journal.pone.0117476Rothmund, T., Bender, J., Nauroth, P., & Gollwitzer, M. (in press). Public concerns about violent video games are moral concerns – How moral threat can make pacifists susceptible to scientific and political claims against violent video games. European Journal of Social Psychology. DOI: 10.1002/ejsp.212516