Page 19 - SPP Abschlussbroschüre
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falls konzeptuelle Fluency, die eine höhere Einschätzung der Plausibilität mit sich bringt, der hierfür erlernte Verarbeitungs- weg ist aber eher oberflächlich und der Einsatz von kognitiven Ressourcen gering. Das Textverstehen fällt somit im Vergleich zu Texten ohne Fotos geringer aus.Mithilfe von insgesamt neun empirischen Untersuchungen konnte dementsprechend gezeigt werden, dass sowohl Dia- gramme als auch realistische Bilder in wissenschaftsbezogenen Texten als Hinweisreize (Cues) für die Plausibilität der gegebenen Informationen fungieren können und das Textverstehen (gemes- sen mit einer Verifikationsaufgabe) sowie Prozesse der Textver- arbeitung (gemessen über Blickbewegungsanalysen) beeinflus- sen. Hierbei spielen Lernermerkmale im Bereich des Vorwissens, die relevant für das Vorhandensein von verschiedenen Schemata sind, eine wichtige Rolle.Texte mit Diagrammen wurden als plausibler empfunden, je höher das Vorwissen zu wissenschaftlichen Texten und Abbil- dungen beim Leser oder der Leserin war. Wurden diese Texte als plausibler eingeschätzt, stieg auch das Textverstehen im Ver- gleich zu Texten ohne Diagramme an.Zusammengenommen unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung von Abbildungen für das Verstehen wissenschaftsbezogener Texteim Internet.Enthielten die Texte realistische Bilder, gab es einen ähnlichen Einfluss der Weberfahrung des Rezipienten/der Rezipientin. Per- sonen mit höherer Weberfahrung schätzten wissenschaftsbe- zogene Texte mit realistischen Bildern als plausibler ein. Hierbei zeigte sich aber im Vergleich zu Texten ohne Abbildungen ein geringeres Textverstehen.Wurden Texte mit beiden Arten von Abbildungen (realistische Bilder und Diagramme) gemeinsam versehen, ähnelte das Er- gebnismuster bezüglich Plausibilitätseinschätzung und Textver- stehen stark dem Muster, das sich bei den Texten gezeigt hat, in denen ausschließlich Diagramme eigesetzt wurden.Zusammengenommen unterstreichen diese Ergebnisse die Bedeutung von Abbildungen für das Verstehen wissenschafts- bezogener Texte im Internet und die Komplexität der vorhande- nen Einflüsse. Sie zeigen nicht nur, dass Diagramme und realisti- sche Bilder sich konträr auf das Textverstehen auswirken können, sondern auch, dass bestimmte Merkmale der Rezipienten/innen (insbesondere verschiedene Arten des Vorwissens) hierbei eine wichtige Rolle spielen.Machen Bilder die Kommunikation wissenschaftsbezogener Informationen im Internet erfolgreicher?Wenn wir Informationen über ein aktuelles wissenschaftsbezogenes Thema suchen, nutzen wir in den meisten Fällen das Internet. So kontrovers wie die Diskussion häufig in der Wissenschaft selbst ist, so gegensätzlich sind in der Regel auch die Aussagen der Texte im Netz. Damit haben wir als Leser die schwierige Aufgabe, das Thema aus den vielfältigen Informationen möglichst schlüssig zu erfassen.Webbasierte wissenschaftsbezogene Texte sind häufig bebildert, beispiels- weise mit farbenfrohen Fotos, die angesprochene Argumente unterstreichen, oder mit Diagrammen, die Informationen aus dem Text noch einmal visuali- sieren.Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass Diagramme als typisch für„harte Wissenschaft“ empfunden werden und zugehörige Informationen plausibler erscheinen lassen. Ähnliche Ergebnisse wurden auch für Fotos gefunden, die dem Leser als „visueller Beweis“ des Gelesenen erscheinen. Wir sind der Frage nachgegangen, ob beide Arten von Abbildungen die Kommunikation wissen- schaftsbezogener Informationen im Internet positiv beeinflussen.In unseren Experimenten, die dem alltäglichen Lesen im Internet nachempfun- den waren, wurden den Probanden Texte zu wissenschaftsbezogenen Themen (z. B. zum Potential von Biomasse) auf einer schlicht gehaltenen Internetseite gezeigt, die entweder mit Abbildungen (Diagramme, Fotos oder beides) ge- staltet war oder ganz ohne Bilder. Die Abbildungen waren dabei nicht notwen- dig, um den Text oder die einzelnen Argumente zu verstehen.Im Ergebnis führten beide Arten von Abbildungen dazu, dass die entspre- chenden Texte plausibler eingeschätzt wurden – allerdings beeinflusst von unterschiedlichen Merkmalen der Personen. Bei Diagrammen ist die Menge an Vorerfahrung mit wissenschaftlichen Texten und Bildern entscheidend. Werden hingegen Fotos zusammen mit dem Text gegeben, spielt die Interneterfahrung eine wichtige Rolle bei der Einschätzung der Plausibilität.Hinzu kommt ein weiterer Unterschied, den wir zwischen Texten mit Dia- grammen und Texten mit Fotos gefunden haben. Bei Texten, die durch die Dia- gramme als plausibler eingeschätzt werden, ist gleichzeitig das Textverstehen im Vergleich zu Texten ohne Abbildung besser. Enthalten die Texte hingegen Fotos und werden auf dieser Basis als plausibler eingeschätzt, werden sie weni- ger gut verstanden als Texte ohne Abbildung.Nutzt man beide Arten von Abbildungen im selben Text, zeigt sich ein ähn- liches Ergebnismuster wie bei der Nutzung von Diagrammen allein. Der nach- teilige Einfluss von Fotos auf das Verstehen der Texte wird demnach durch den positiven Einfluss von Diagrammen überlagert.Unsere Ergebnisse sprechen also durchaus dafür, dass beide Arten von Abbildungen nicht nur die wahrgenommene Plausibilität von webbasierten wissenschaftsbezogenen Texten erhöhen können, sondern auch das Verstehen der gegebenen Informationen beeinflussen. Dieser Einfluss geht allerdings bei Diagrammen und Fotos in völlig gegensätzliche Richtungen und ist in hohem Maße vom Vorwissen und den Vorerfahrungen des Lesers abhängig. Diagram- me zu verwenden kann demnach vorteilhafter sein als Fotos zu nutzen. Dabei ist es aber wichtig, die Merkmale der angestrebten Zielgruppe vorab bereits möglichst realistisch einzuschätzen, um das Verstehen wissenschaftsbezogener Texte im Internet gezielt mit Abbildungen unterstützen zu können.19


































































































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