Page 23 - SPP Abschlussbroschüre
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(Jucks & Paus, 2012). Begriffe, die häufig vorkommen, wurden als weniger schwierig und besser verstanden bewertet (Paus & Jucks, 2011). Generell überschätzten Laien ihr Wissen über die Bedeutung von Fachkonzepten eher. Der Einfluss solch unter- schiedlich enkodierter Fachbegriffe auf den Online-Diskurs über wissenschaftsbezogene Informationen wurde in zwei weiteren Studien untersucht (Jucks & Paus, 2013; Paus & Jucks, 2012). Es zeigte sich, dass Lernpartner seltener der Illusion des Verstehens unterlagen, wenn sie unterschiedliche Enkodierungen für die gleichen inhaltlichen Konzepte im Bereich Depression verwen- deten. So wurden Diskursaktivitäten gefördert, die der konzep- tuellen Elaboration der hinter den lexikalischen Enkodierungen liegenden Bedeutungen der Konzepte dienen (beispielsweise die Formulierung begriffsbezogener Erklärungen). In der Folge wurden differenziertere Falllösungen gemeinsam erarbeitet und es wurde auf individueller Ebene ein komplexeres Inhalts- und Begriffsverständnis entwickelt.Beim Austausch zwischen Lernpartnern hat ein Fokus auf perspektivische Unterschiede positive Effekte auf die Qualität der argumentativen Diskursaktivitäten sowie auf das kritische Denken.Neben Fachkonzepten wird auch die Fragilität wissenschafts- bezogener Informationen oft auf sprachlicher Ebene kommuni- ziert. In zwei Studien konnte gezeigt werden, dass Quelleninfor- mationen (attribution shields) sowie Vorläufigkeitsmarkierungen wie „möglicherweise“ (plausibility shields) die Beurteilung wis- senschaftsbezogener Informationen und Argumente (Thiebach, Mayweg-Paus & Jucks, accepted) sowie den Umgang mit diesen (Mayweg-Paus & Jucks, 2014) beeinflussten. Die Erkenntnisse der im Rahmen des Projektes durchgeführten Studien sollen dazu beitragen, eine differenzierte Auseinandersetzung mit fragilen und konfligierenden wissenschaftsbezogenen Informationen und Argumenten im Diskurs, die Entwicklung eines sophistizier- ten Wissenschaftsverständnisses sowie eine kritisch-hinterfra- gende Grundhaltung zu fördern. In methodischer Hinsicht wur- den im Rahmen des Projektes zudem Ansätze für die inhaltliche Analyse von Online-Kommun ikation weiterentwickelt.Möglicherweise bringt es ja doch was: Wenn die Diskussion mit anderen das Lernen fördertGrundschullehrerin Maier möchte wissen, ob Lernspiele am PC das Rechnen för- dern. Jetzt sucht sie in Internetforen Hintergrundinformationen zum Thema und tauscht sich mit anderen über die Vor- und Nachteile der Computernutzung bei Grundschulkindern aus.Herr Schmidt leidet seit einiger Zeit unter depressiver Verstimmung. Er tauscht sich nun online mit anderen über mögliche Ursachen der Beschwerden sowie die Vor- und Nachteile verschiedener Behandlungsmöglichkeiten aus.Die Beispiele verdeutlichen: Menschen nutzen die Möglichkeit, sich online mit anderen über wissenschaftsbezogene Themen auszutauschen. Aber wissen Sie sie nach der Diskussion wirklich mehr? Wir haben diese Frage systematisch untersucht und zunächst geprüft, was genau im Gespräch das Lernen fördert. Dabei haben wir in Experimenten die Situation so gestaltet, dass Lernen nicht einfach Wissenstransfer von einem Gesprächspartner zum anderen bedeutete. Denn reines Wissen vermitteln auch Texte. Deutlich wurde: sich auf die Infor- mationen anderer beziehen und kritische Fragen stellen fördert das Lernen. Das geschieht aber in der Chat-Kommunikation noch zu selten. Wie also können diese lernförderlichen Kommunikationsformen gefördert werden? Eine Mög- lichkeit sind elektronische Erinnerungen (sogenannte Prompts). Forderten sie in einer Studie regelmäßig auf, während des Austauschs auf Unterschiede in den Perspektiven und Argumenten zu achten, so hinterfragten die Kommuni- kationspartner die Inhalte kritischer und schulten ihr kritisches Denken. Auch die Wortwahl hat Einfluss darauf, wie Informationen verarbeitet werden. So konnten wir zeigen, dass Partner mehr lernten, wenn sie unterschiedliche Fachbegriffe für die gleichen Inhalte verwendeten (z. B. „Verhaltenstherapie“ und „behaviorale Therapie“), da sie sich hierdurch tiefer mit den Inhalten be- schäftigten.Der Frage, welche Rolle sprachliche Merkmale bei der Verarbeitung von wissenschaftlichen Informationen haben, wurde in weiteren Studien nachge- gangen. Es zeigte sich, dass Laien Fachbegriffe griechisch-, lateinstämmigen Ursprungs und seltene Begriffe als schwieriger einschätzten und meinten diese weniger gut zu verstehen als deutschsprachige und häufiger vorkommende Begriffe. Generell scheinen sie ihr Wissen über die Bedeutung von Fachbegrif- fen zu überschätzen. Man sollte daher darauf achten, welche Fachbegriffe man verwendet, diese erklären und hinterfragen, ob man die zentralen Konzepte verstanden hat. Auch die Unsicherheit und Vorläufigkeit wissenschaftsbezo- gener Informationen wird auf sprachlicher Ebene kommuniziert. So können Quelleninformationen gegeben und sogenannte Vorläufigkeitsmarkierungen (Wörter wie „möglicherweise“) verwendet werden. Nach unseren Befunden beeinflussen solche sprachlichen Hinweisreize, wie wissenschaftsbezogene Informationen und Argumente beurteilt (beispielsweise wie glaubwürdig) und für die Entscheidungsfindung genutzt werden.Generell kann sich der Einzelne in Chats und Foren differenziert mit wis- senschaftsbezogenen Informationen und Argumenten auseinandersetzen. Hierfür ist es jedoch erforderlich, Laien ein grundlegendes Wissen darüber zu vermitteln, welche Kriterien und sprachlichen Merkmale bei der Beurteilung wissenschaftsbezogener Informationen bedeutsam sind und lernförderliche Kommunikationsaktivitäten zu unterstützen bzw. zu trainieren.23


































































































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