Page 39 - SPP Abschlussbroschüre
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epistemischen Validierung überzeugungsinkonsistenter Texte verbunden war. Zudem war diese Form der Validierung positiv mit dem Situationsmodell überzeugungskonsistenter und nega- tiv mit dem Situationsmodell überzeugungsinkonsistenter Texte assoziiert. Auch ein kurzes metakognitives Training war in der Lage den Text-Überzeugungskonsistenzeffekt zu reduzieren. So wurde bei Lernenden, die Wissen über metakognitive Strategien erhalten hatten und auch motiviert waren, diese Strategien zu verwenden, der Text-Überzeugungskonsistenzeffekt verringert.Werden elaborative epistemische Prozesse eingesetzt, scheinen sie das Verständnis für die wissenschaftliche Kontroverse zu fördern.Zusammen betrachtet lassen diese Ergebnisse den Schluss zu, dass eine oberflächliche epistemische Verarbeitung multipler konfligierender Texte zu einer einseitig verzerrten mentalen Repräsentation der wissenschaftlichen Debatte führt. Eine ela- borative epistemische Verarbeitung hingegen beinhaltet eine verstärkte Auseinandersetzung mit Argumenten und Texten, die nicht den Überzeugungen der Lerner/-innen entsprechen und auf den ersten Blick als unplausibel eingeschätzt werden. Werden solche elaborativen epistemischen Prozesse eingesetzt, schei- nen sie das Verständnis für die wissenschaftliche Kontroverse zu fördern und dem Text-Überzeugungskonsistenzeffekt sowie dem Plausibilitätseffekt entgegenzuwirken. Basierend auf der so resultierenden ausgewogenen und reichhaltigen Wissensreprä- sentation kontrovers diskutierter wissenschaftlicher Sachverhal- te ist der Lernende dann zu einer informierten Entscheidung in der Lage. Basierend auf diesen Erkenntnissen konstruieren wir aktuell ein Training, das in der Schul- und Hochschuldidaktik ein- gesetzt werden soll.Können wir Informationen zu einer aktuell diskutierten wissenschaftlichen Debatte neutral verarbeiten?Das Internet ist heute als Medium der Informationssuche fest etabliert. Ler- nende, die mehr über eine wissenschaftliche Debatte wissen möchten, lesen oft unterschiedliche Webseiten und werden dabei mit Texten konfrontiert, die gegensätzliche Positionen einnehmen und einseitig informieren. Zudem sind Informationssuchende selten völlig unvoreingenommen, sondern bringen ihre eigenen Überzeugungen mit.Im Rahmen unseres Projektes haben wir untersucht, wie sich Überzeugun- gen auf das Lesen und Lernen multipler wissenschaftlicher Texte auswirken. Dabei sind wir von der Annahme ausgegangen, dass Informationssuchende in der Regel ihre Überzeugungen nutzen, um die Plausibilität neuer Informa- tionen schnell und effizient zu beurteilen. Dieser Prozess – als epistemisches Monitoring bezeichnet – gehört zur Sprachverarbeitung und beeinflusst das Textverständnis. Bei der oberflächlichen Verarbeitung von Texten kann episte- misches Monitoring dazu führen, dass Informationen, die nicht mit Überzeu- gungen übereinstimmen, vorschnell abgelehnt und nicht weiter verarbeitet werden. Daraus resultiert eine einseitig verzerrte Wissensabbildung, die über- wiegend überzeugungsübereinstimmende und als plausibel eingeschätzte Informationen beinhaltet. So haben wir in unseren Untersuchungen gefunden, dass Lernende oft ein stärkeres Verständnis für überzeugungskonsistente Texte (Text-Überzeugungskonsistenzeffekt) und auch für als plausibel eingeschätzte Informationen (Plausibilitätseffekt) entwickeln.Diese geschilderte Art der Verarbeitung multipler Texte hat Vorteile, weil sie mit vergleichsweise geringem kognitiven Aufwand zu einer in sich schlüssigen Re- präsentation wissenschaftlicher Sachverhalte führt. Indem allerdings vorrangig Informationen zu einer argumentativen (überzeugungskonsistenten) Position aufgenommen werden, erhalten Lernende kein umfassendes Bild der Wissen- schaftsdebatte.Es ist jedoch wünschenswert, alle Positionen einer kontrovers geführten wissenschaftlichen Debatte zu verstehen. Deshalb haben wir im Rahmen un- seres Projektes unterschiedliche Möglichkeiten untersucht, wie eine stärkere Auseinandersetzung mit überzeugungsinkonsistenten Informationen gefördert werden kann. Eine solche Verarbeitung bezeichnen wir als elaborative (wis- sensgestützte und ressourcenintensive) epistemische Verarbeitung. In unseren Untersuchungen zeigte sich, dass der Effekt der Text-Überzeugungskonsistenz nicht mehr auftrat, wenn Texte mit unterschiedlichen Positionen abwechselnd präsentiert wurden. Eine Blickbewegungsuntersuchung legt nahe, dass eine abwechselnde Textpräsentation strategisches Verarbeitungsverhalten (mehr wiederholtes Lesen) für überzeugungsinkonsistente Argumente fördert. In ähnlicher Weise wurde der Plausibilitätseffekt durch die Instruktion abge- schwächt, sich einen gut begründeten eigenen Standpunkt zur wissenschaft- lichen Thematik zu bilden. Auch hier scheint dieser Effekt vor allem darauf zu beruhen, dass eine stärkere Beachtung überzeugungsinkonsistenter Informa- tionen gefördert wurde. Ebenso konnte ein kurzes Training, bei dem überzeu- gungsabweichende Informationen im Fokus lagen, das Verständnis für die„an- dere Seite“ fördern. Auf der Basis unserer Erkenntnisse entwickeln wir aktuell ein Training, das in der Schul- und Hochschuldidaktik eingesetzt werden soll.39


































































































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