Page 43 - SPP Abschlussbroschüre
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schichte einzelner Personen in den Mittelpunkt gestellt wird, hat einen positiven Effekt auf subjektiv erlebte positive Emotionen und auf den Wissenserwerb. Emotionsauslösende Gestaltungs- merkmale dienen vermutlich für den Rezipienten als Anzeiger von Relevanz und führen zu einer tieferen Verarbeitung.Dadurch kann es zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Inhalt kommen, die den Wissenserwerb fördert. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass die Darstellung wissenschaft- licher Fragilität nachteilige Effekte haben kann. Stellen die Be- richte dar, dass wissenschaftliches Wissen vorläufig ist und auf Vermutungen basiert, z. B. durch Sprachwendungen wie „es könnte“ oder „vermutlich“ und sind die Beiträge gleichzeitig unterhaltsam gestaltet, dann wirkt sich dies nachteilig auf den Wissenserwerb aus. Möglicherweise signalisieren Sprachwen- dungen wie „es könnte“,e „vermutlich“, die auf die Vorläufigkeit von wissenschaftlichem Wissen hinweisen, verbunden mit einer unterhaltsamen Gestaltung, eine geringe Relevanz des Beitrags für den Rezipienten.Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass sowohl die Verwendung unterhaltsamer Bestandteile als auch die Darstellung fragiler wissenschaftlicher Evidenz die emotionale und kognitive Verarbeitung von Wissenschaftsbeiträgen beeinflussen können.Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass sowohl die Verwendung unterhaltsamer Bestandteile als auch die Darstellung fragiler wis- senschaftlicher Evidenz die emotionale und kognitive Verarbei- tung von Wissenschaftsbeiträgen beeinflussen können – jedoch nicht in jedem thematischen Bereich und auch nicht immer in der erwarteten Richtung.Wissenschaft und Unterhaltung – ein Herz und eine Seele?Die deutsche Fernsehserie „Ein Herz und eine Seele“ aus den 1970er Jahren zeigt ironisch überspitzt das Familienleben in einer Wattenscheider Reihen- haussiedlung. Darin beschimpft die Hauptfigur Alfred Tetzlaff seine Frau gerne als„dusselige Kuh“. Sie scheint ihn vor allem zu stören. Passt diese Beziehungs- schablone auch auf das Verhältnis von Wissenschaft und Unterhaltung? Stört Unterhaltung Wissensdurstige bei der Aufnahme von Informationen und glei- chen Emotionen„dussligen Kühen“, die planlos durch Wissenschaftssendungen tapsen?Für viele Menschen sind Massenmedien wichtige und glaubwürdige Quel- len für wissenschaftsbezogene Informationen. Unsere Studien zeigen, dass wissenschaftsorientierte TV-Angebote relativ viele Jugendliche erreichen. 70 % der Befragten im Alter zwischen 13 und 16 Jahren sehen mindestens ein- mal wöchentlich eine Wissenschaftssendung; 15 % können sogar als Fans von Wissenschaftssendungen bezeichnet werden. Welches Wissenschaftsangebot im Fernsehen gewählt wird, hängt von den individuellen Neigungen der Zu- schauer ab. Gerade die Fans von Wissenschaftssendungen bevorzugen Forma- te, die sie kognitiv herausfordern und wissenschaftliche Erkenntnisse emotional vermitteln.Um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu binden, setzen Wissenschaftssen- dungen häufig unterhaltsame und gefühlsbetonte Präsentationsformen ein. Kritiker befürchten, dass solche unterhaltsamen Elemente eher ablenken und zu einer oberflächlichen Verarbeitung führen und damit das Lernen insgesamt eher behindern. Welche Rolle spielt also Unterhaltung in Wissenschaftssen- dungen? Ergebnisse unserer Studien zeigen, dass sich unterhaltsame Anteile positiv auf Emotionen und Wissenserwerb auswirken. Wird ein Beitrag in eine spannungserzeugende Erzählstruktur eingebettet oder werden sogenannte Human-Interest-Elemente einbezogen, reagieren die jugendlichen Zuschauer eher mit positiven Gefühlen und lernen mehr.Unsere Ergebnisse sprechen dafür, bei der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse Verstand und Herz anzusprechen. Allerdings mit einer Einschrän- kung: Berichte, die betonen, dass wissenschaftliches Wissen vorläufig ist und auf Vermutungen basiert, z. B. durch Sprachwendungen wie „es könnte“ oder „vermutlich“, wirken sich dann besonders nachteilig auf den Wissenserwerb aus, wenn diese Beiträge eher unterhaltsam gestaltet sind.Wissenschaft und Unterhaltung – ein Herz und eine Seele? Ja durchaus, aber das Verhältnis gleicht eher einer alltäglichen Beziehung mit Wenn und Aber, Höhen und Tiefen als einer verklärten Filmromanze.43