Page 45 - SPP Abschlussbroschüre
P. 45

ohne größere Positionswechsel vorgenommen wurde. Während Fotografien also von Besuchern offensichtlich nicht als vollwertige Äquivalente zu realen Gegenständen aufgefasst und dementsprechend weniger aufmerksam betrachtet und kognitiv verarbeitet wurden, fanden sich zwischen originalen Gegenständen und deren Reproduktionen in unseren Studien keine substantiellen Unterschiede bei Aufmerksamkeits- und Gedächtnisindikatoren. Auch in den Interviewstudien nannte zwar die Hälfte der Befragten die Authentizität der ausgestellten Gegenstände als wichtiges Beurteilungskriterium, andererseits war für die andere Hälfte der Befragten Authentizität aber nur von nachgeordneter Bedeutung. Dies wird durch die Analyse des Blickverhaltens und Gedächtnisses für die Exponate unter- mauert: Auch hier konnten wir keine substanzielle Unterschiede zwischen Original und Reproduktion finden. Hinter Vitrinenglas platziert sind Original und Reproduktion für Besucher nicht nur schwierig zu unterscheiden, sondern bieten auch vergleichbare Anschauungs- und Erkenntnismöglichkeiten, da ihr „Begreifen“den Besuchern verwehrt ist.Hinter Vitrinenglas platziert sind Original und Reproduktion für Besucher nicht nur schwierig zu unterscheiden, sondern bieten auch vergleichbare Anschauungs- und Erkenntnismöglichkeiten.Zumindest im Kontext eines naturwissenschaftlich-technischen Museums scheint unter diesen Bedingungen die Frage der Au- thentizität für eine Vielzahl von Besuchern in den Hintergrund zu rücken.Insgesamt belegen die Ergebnisse die Rolle gegenständlicher Exponate für die Vermittlung naturwissenschaftlicher Sachver- halte, zeigen gleichzeitig aber, dass hierbei die wirkungsbezoge- ne Differenz zwischen originalen Gegenständen und deren Re- produktionen geringer ist, als in der Museologie typischerweise angenommen wird.Die „Aura“ der Naturwissenschaften – welche Bedeutung haben museale Objekte für die Wissensvermittlung?Naturwissenschaftliche Fortschritte sind häufig sehr eng mit bestimmten Wis- senschaftspersönlichkeiten verbunden und den Untersuchungsgegenständen und Instrumenten, die diese für ihren Erkenntnisgewinn genutzt haben. Bei- spiele hierfür sind die Spezies, die Darwin auf seiner Galapagos-Reise gesam- melt hat, oder die Apparaturen und Instrumente, mit denen Otto Hahn und Liese Meitner die erste Kernspaltung gelang. In vielen Museen und Universitä- ten finden sich bedeutsame historische Zeugnisse naturwissenschaftlicher For- schung, anhand derer Besucher den Erkenntnisfortschritt auf unterschiedlichs- ten Gebieten nachvollziehen können. Neben der Vermittlung wissenschaftlicher Theorien und Befunde in Form von Texten, Abbildungen und Modellen bieten solche authentische Gegenstände der Wissenschaftsgeschichte einen weiteren Zugang zur Vermittlung vielschichtiger und teilweise widersprüchlicher natur- wissenschaftlicher Erkenntnisse. Aus museumspädagogischer Sicht stellt sich hierbei die Frage, ob Museen für diese Vermittlungsaufgabe Wert darauf legen sollten, authentische Originalobjekte zu präsentieren oder ob nicht auch Ob- jektkopien oder sogar fotografische Abbildungen vergleichbare Lernprozesse bei den Besuchern bewirken.Die aktuellen Befunde des SPP-Projektes „Vermittlung konflikthafter na- turwissenschaftlicher Sachverhalte in Museen und Ausstellungen: Die Rolle authentischer Objekte“ relativieren die psychologischen Wirkungen originaler Gegenstände in naturwissenschaftlich-technischen Museen. Anhand von Blickbewegungsanalysen, Gedächtnistests und Befragungen wurden Besu- cherverhalten und -kognitionen bei der Betrachtung von Originalen, Kopien oder Fotografien naturwissenschaftlicher Objekte erhoben und analysiert. Zwar wurden reale Gegenstände von Besuchern länger betrachtet und besser behalten als ihre fotografischen Pendants, die Wirkungs- und Beurteilungsun- terschiede zwischen originalen Gegenständen und ihren Reproduktionen fielen aber deutlich geringer aus. Begleitende Interviewstudien belegen, dass für die Besucher naturwissenschaftlich-technischer Museen die Nachvollziehbarkeit und Verständlichkeit wissenschaftlicher Exponate im Verhältnis zu ihrer Au- thentizität und„Aura“ eine wichtigere Rolle spielt.45


































































































   43   44   45   46   47