Page 47 - SPP Abschlussbroschüre
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perimenten wurden dabei mögliche schwierigkeitsbeeinflus- sende Faktoren bei der Evidenzanalyse untersucht. Zu diesen Faktoren gehörten die Art der Zahlenrepräsentation (numerisch, bildlich-kontinuierlich oder bildlich-diskret), die Beziehung der Daten zu den Vorannahmen der Kinder (konfligierend oder af- firmativ), die Symmetrie der Variablen (asymmetrische: Vergleich von vorhandener und nicht vorhandener Ausprägung wie z. B. Dünger vs. kein Dünger oder symmetrisch: Vergleich von zwei vorhanden Ausprägungen z. B. Dünger A vs Dünger B) und die Art der Präsentation (Alle Datenpunkte auf einmal oder sequenti- ell). Auch diese Erhebung wurde in parallelen Aufgabenserien in verschiedenen Kontexten (inhaltsarm/formal bzw. inhaltsreich/ alltagsnah) durchgeführt.Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Studie wurde in der Folge untersucht, inwiefern sich schon im Grundschulalter Fähigkeiten im Umgang mit empirischer Evidenz fördern lassen. Hierzu wur- de eine Interventionsstudie (N = 140) in Klassenstufe 3 imple- mentiert, die den Einfluss eines Förderprogramms von stoch- astischen bzw. proportionalen Fähigkeiten auf die Fähigkeit zur Evaluation von Vierfeldertafeln untersuchte.Schon im Grundschulalter lassen sich Fähigkeiten im Umgang mit empirischer Evidenz fördern.In zusätzlichen Studien standen weitere Altersbereiche im Fo- kus. Zum einen wurden die Fähigkeiten zur Dateninterpretation von Erwachsenen mit Hilfe eines Online-Fragebogens getestet (N = 196). Zentrale Fragestellung war, ob sich auch Erwachsene von den Faktoren beeinflussen lassen, die sich bei den Grund- schulkindern als schwierigkeitsbeeinflussend gezeigt hatten. Zum anderen wurde untersucht, ob bereits Vorschulkinder (N = 60) in der Lage sind, einfache Datenmuster zu interpretieren, und ob die Symmetrie der Variablen (asymmetrisch oder sym- metrisch) einen Einfluss auf die Leistung hat.Intuitive Statistik – kinderleicht?Täglich treffen wir Entscheidungen und schätzen Risiken ab. Sollen wir uns impfen lassen und die Nebenwirkungen in Kauf nehmen? Ist es besser eine Erkältung zu behandeln oder soll man warten, bis sie von selbst vergeht? Soll ich das teure Elektroauto oder den preiswerten Benziner kaufen? Um solche und ähnlich Fragen beantworten zu können, greifen wir im Alltag häufig auf intuitive statistische Fähigkeiten zurück. Forschungsarbeiten zeigen aber, dass selbst Erwachsene Probleme haben, auf der Basis von empirischen Daten Ent- scheidungen zu treffen. Beispielsweise sollten Studienteilnehmer anhand der unten abgebildeten Vierfeldertafel entscheiden, ob man ein bestimmtes Me- dikament gegen eine Krankheit nehmen soll oder nicht. Hochschulstudenten beurteilten nur ca. 40% derartiger Probleme korrekt. Häufig wird dabei die so- genannte Basisrate außer Acht gelassen, d.h. die Tatsache, dass auch Menschen ohne Medikament gesund werden, wird vernachlässigt. Besonders schwierig wird es dann, wenn unterschiedlich viele Personen das Medikament nehmen, bzw. nicht nehmen, etwa wenn von sechs Personen eine Person mit dem Me- dikament gesund wird, von 18 Personen, die kein Medikament nehmen, aber auch drei gesund werden (Shaklee & Hall, 1983).In Anbetracht der Probleme, die Erwachsene mit derartigen Aufgaben haben, scheint eine möglichst früh einsetzende Förderung wünschenswert. In unseren Studien wollten wir in einem ersten Schritt herausfinden, welche Fähigkeiten bereits im Grundschulalter vorhanden sind und welche Faktoren die Leistung beeinflussen. Es zeigte sich beispielsweise, dass es für Kinder leichter ist, zum richtigen Ergebnis zu kommen, wenn die Mengenangaben nicht numerisch, sondern als Bild, etwa in Form von abgefüllter Flüssigkeit, zu sehen sind. Sehr viel leichter tun sich sowohl Kinder als auch Erwachsene, wenn sie Zusammen- hänge zwischen symmetrischen Variablen vergleichen sollen. Es scheint viel einfacher zu sein, unter zwei Düngersorten die effektivere auszuwählen, als zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, überhaupt Dünger einzusetzen. Sogar im Kin- dergartenalter lassen sich schon Ansätze von korrekter Vierfelder-Tafelinterpre- tation erkennen, wenn die Bedingungen symmetrisch sind, zum Beispiel wenn entschieden werden soll, welche von zwei Futtersorten die Kühe glücklicher macht.Schließlich haben wir im Rahmen einer Interventionsstudie untersucht, ob und wie schon Grundschulkinder dabei gefördert werden können, Daten aus einfa- chen Experimenten auszuwerten. Dazu hat eine Gruppe von Kindern in einem Wahrscheinlichkeitskontext (Beutelziehung) experimentiert, eine andere mit Verhältnissen ohne Wahrscheinlichkeitsbezug (Saftmischungen). In beiden Gruppen konnten die Kinder anschließend das Ergebnis eines Experiments – dargestellt in einer Vierfeldertafel – besser lösen als in einer Kontrollgruppe.Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bereits Vor- und Grundschul- kinder unter vereinfachenden Bedingungen grundlegende Fähigkeiten im Umgang mit Daten zeigen und dass mit geeigneten Interventionsmaßnahmen diese Fähigkeiten bereits im Grundschulalter gefördert werden können.47


































































































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